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Bugatti Type 35 - die Entstehung eines Champions

2024-03-15      
   

Der Type 35 war die Blaupause für alle nachfolgenden Fahrzeuge von Bugatti, denn seine Konstruktion sowie sein Design waren einzigartig, und dank seiner zahlreichen Innovationen garantierte er eine unübertroffene Dynamik, Agilität und Leistung. Trotz dieser besonderen Qualitäten hatte der Wagen, der später der erfolgreichste Rennwagen aller Zeiten werden sollte, beim Grand Prix von Lyon-Givors 1924 nicht den besten Start in seine glanzvolle Karriere.

Mit der charakteristischen Vision und dem ausgeprägten Gespür, das jedes Projekt von Ettore Bugatti kennzeichnete, sorgte er dafür, dass sein Type 35 ein echter Vollblut-Rennwagen wurde. Für Fahrer und Zuschauer gleichermassen genügte ein einziger Blick auf die wunderschön proportionierte Achtzylinder-Maschine, um zu erkennen, dass sie die Verkörperung von Form durch Funktion darstellte.

Doch der Type 35, der in seiner über 10 Jahre dauernden Karriere mehr als 2.500 Siege und Podiumsplätze erringen sollte, hatte es nicht von Anfang an leicht. Tatsächlich war sein Renndebüt mit vielen Herausforderungen verbunden. Fünf Type 35 nahmen 1924 am Grand Prix von Lyon teil, einem vom Automobile Club de France veranstalteten Rennen über 35 Runden auf einem 23,1 km langen Strassenkurs. Ein sechster Type 35 – der ursprüngliche Prototyp – wurde in Reserve gehalten.

Die Autos wurden von Molsheim nach Lyon gefahren, ohne dass es auch nur das geringste Problem gab. Während des Trainings wurden Steinschutzvorrichtungen vor dem Kühler und eine kleine Windschutzscheibe sowie ein Thermometer im Kühlerdeckel angebracht, aber es gab keine Schwierigkeiten oder Zweifel an dem Type 35. Und so konnten die Fahrer Jean Chassagne, Pierre de Vizcaya, Leonico Garnier, Ernest Friderich und Bartolomeo “Meo” Costantini zu Beginn des Rennens nicht ahnen, welche Schwierigkeiten auf sie zukommen würden.

Doch es war nicht der Rennwagen selbst, der für das erste Problem auf der Strecke sorgte: Die speziell für den Type 35 angefertigten Reifen erwiesen sich als problematisch, und der erste Ausfall ereignete sich gleich in der ersten Runde am Wagen von de Vizcaya. In der dritten Runde sollte es für ihn noch schlimmer kommen, als sich eine Lauffläche von der Seitenwand löste. Damit war ein Vorbote für das Drama zu sehen, das sich vor den 100.000 Zuschauern an der Strecke abspielen sollte.

Weitere Ausfälle folgten, teilweise in Kombination mit purem Pech. Teile der Lauffläche, die sich von Chassagnes Reifen gelöst hatten, verfingen sich in dessen Lenkung, während Costantini – der auch Probleme mit der Kühlung hatte, weil eine Lötstelle im Überlaufrohr des Kühlers undicht war – das Pech hatte, dass sich ein Stück der Lauffläche um den Schalthebel wickelte. Dadurch wurde der Hebel verbogen und Costantini konnte weder den 2. noch den 4. Gang einlegen, was zu einem Getriebeschaden und schliesslich zu seinem Ausscheiden aus dem Rennen führte. Immerhin wurde er mit der schnellsten Rennrunde belohnt und bewies damit nicht nur seinen Mut, seine Entschlossenheit und sein Können, sondern auch die dem Type 35 innewohnenden Qualitäten.

Doch das Bugatti-Team musste noch mehr Rückschläge verkraften. Weitere Fahrer mussten im Laufe des Rennens aufgeben, wobei Chassagne, der bestplatzierte von ihnen, das Rennen als Siebter beendete. Untersuchungen nach dem Rennen ergaben, dass die Probleme mit den Reifen auf Herstellungsfehler zurückzuführen waren. Die Reifen waren nicht richtig vulkanisiert worden – ein Prozess, bei dem sie erhitzt werden, um dem fertigen Reifen die gewünschten Eigenschaften zu verleihen. Infolgedessen konnten sie den Belastungen des Rennens nicht standhalten. Auch wenn es nicht der Test war, den Ettore Bugatti je gewollt hätte, so bewiesen die Misserfolge doch die Stärke der innovativen, leichten Aluminiumgussräder des Type 35. In seinem Bericht „Lessons of the Grand Prix“ nach dem Rennen in Lyon stellte The Motor fest: „Entgegen den Erwartungen haben diese Räder nicht nur das Rennen überstanden, sondern zeigten auch keine Anzeichen für die enorme Beanspruchung, die sie durch die hohe Laufleistung auf der Felge erhalten haben müssen, die durch das Platzen der Reifen verursacht wurde.“

Nach einem Wechsel der Spezifikation und des Lieferanten schrieb Ettore Bugatti in einem Brief, dass er mit einem Type 35, der mit den neuen Reifen ausgestattet war, 520 km von Strassburg nach Paris gefahren sei – mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 100 km/h. Überzeugt von der grundsätzlichen Zuverlässigkeit des Wagens und der Gewissheit, dass sich der Erfolg einstellen würde, schrieb er weiter: „Zehn dieser Autos sind gebaut worden. Sie sind fast alle an Kunden verkauft. Einige sind bereits ausgeliefert und bereiten ihren Besitzern viel Freude. Man kann sie in der Stadt genauso gut einsetzen wie bei einem Rennen. Ich hoffe, dass ich bei der nächsten Gelegenheit die Qualität meiner Konstruktion besser demonstrieren kann.“

Bugatti Type 35

Diese Gelegenheit bot sich beim Grand Prix in San Sebastian. Dieses Rennen erwies sich als wesentlich erfolgreicher, denn Costantini fuhr erneut die schnellste Runde und wurde Zweiter. Nachdem die Kinderkrankheiten überwunden waren, entwickelte sich der Type 35 schnell zu einem unangefochtenen Rennsieger. Bugatti war nun nicht mehr zu stoppen.

er sportliche Erfolg war nur ein Teil des Erfolges dieses legendären Wagens: Er war auch kommerziell ein Gewinn und ermöglichte es Bugatti, den Type 35 nach erfolgreichen Rennwochenenden an Kunden zu verkaufen. Als seine Reputation wuchs, wurde er durch eine Reihe von Verbesserungen noch leistungsfähiger, wendiger und konkurrenzfähiger gemacht. Die Weichen für den erfolgreichsten Rennwagen aller Zeiten waren gestellt.

Luigi Galli - Spezialist für Heritage und Zertifizierung bei Bugatti

„Erfolg im Rennsport wird nicht nur in der Hitze des Gefechts geschmiedet: Er entsteht oft aus der Erfahrung früher Misserfolge. Ettore Bugatti kannte das Potenzial des Type 35 und wählte einen leichten und wendigen Ansatz zu einer Zeit, als viele Hersteller grosse und unhandliche Rennwagen mit riesigen Motoren einsetzten. Aber selten wird etwas perfekt geboren; Perfektion entsteht durch das Erkennen und Verbessern von Fehlern. Und indem er die entscheidenden Lektionen, die er an jenem Tag im August 1924 bei seinem Wettbewerbsdebüt lernte, verinnerlichte, wurde der Type 35 zu einem unvergleichlichen Rennwagen.“