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Was macht ein Kunstwerk zu einem Kunstwerk? Was bewirkt, dass man bei einem in der Erde gefundenen Stück Statue sagt: "Oh, das ist Kunst!"? Diese Frage stellte sich neben vielen anderen auch der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel in seiner Vorlesung über Ästhetik, die er zwischen 1818 und 1829 in Berlin gehalten hat. In diesem umfassenden Unternehmen versuchte Hegel, den Schaffensprozess sowohl aus der Sicht des Künstlers als auch aus der des Betrachters zu verstehen und ebenso die Kunstgeschichte. Der Philosoph blieb keineswegs auf der Spitze eines Elfenbeinturms sitzen, sondern reiste zu jener Zeit durch Europa, besuchte Museen und versuchte herauszufinden, was ein Kunstwerk zur Kunst macht. Er kommt zum Schluss, dass der Mensch von einem Konsuminstinkt getrieben wird, der aufhört, wenn er einem Kunstwerk gegenübersteht. Das Wesen bleibt bewegt.
Ein Grund dafür ist, dass Kunst die Manifestation eines Ideals ist, jenes Ideals, das seit der Antike in den Schriften der Philosophen seinen Weg geht. "Als Manifestation des Ideals", schreibt Hegel, "muss die Kunst dieses in allen seinen Beziehungen in sich aufnehmen, [...] und muss die innere Subjektivität des Charakters mit dem Äußeren vereinen. " Die Kunst hat also eine spirituelle Dimension, die über die prosaischen Dinge des menschlichen Lebens in seiner Materialität hinausgeht. Er fügt hinzu: "Jedes Kunstwerk ist eine Art Dialog mit jedem, der ihm gegenübersteht ¹ ", womit er auf die Kommunikation verweist, die zwischen dem Werk und seinem Empfänger stattfinden muss.
Das Kunstwerk ist also das, was es ist, weil es über die menschliche Dimension hinausgeht, indem es ein "Ideal" in sich trägt, welches es dem Betrachter vermittelt. Dies würde möglicherweise ausreichen, um die spirituelle Dimension des Menschen aufzuzeigen, der seit jeher für Kunst empfänglich ist.
Konkreter gesagt: Der auf Inspiration wartende Künstler, kann sich fragen, was beim Zuschauer eine solche Emotion auslöst. Und wie kann man – von Hardrock bis Oper, von Poetry Slam bis zu antiken Epen – sein Publikum berühren? Der Philosoph L. Ron Hubbard schreibt Folgendes: "KUNST ist ein Wort, das die Qualität der Kommunikation zusammenfasst. ² " Er führt weiter aus: " Wenn Sie ein beliebiges Kunstwerk betrachten oder anhören, gibt es nur einen Faktor, auf den ein Gelegenheitspublikum massenhaft reagiert, und wenn das Werk ihn enthält, dann werden auch Sie es als Kunstwerk betrachten. Wenn es das nicht enthält, werden Sie es nicht als Kunstwerk ansehen.
Was ist also ein Kunstwerk? Eine ausreichende technische Beherrschung, um eine emotionale Wirkung zu erzeugen. Und das ist die Qualität, die ein Kunstwerk haben muss, um gut zu sein. [...] Alle großen Kunstwerke haben diesen Faktor gemeinsam. Zunächst, bevor man die Gesichter auf der Leinwand betrachtet oder die Bedeutung des Liedes versteht, gibt es die ausreichende technische Beherrschung, um eine emotionale Wirkung zu erzeugen. Bevor man die Botschaft oder die Bedeutung hinzufügt, gibt es diese technische Meisterschaft. [...] Wenn Botschaften ohne eine Trägerwelle künstlerisch-technischer Meisterschaft abgespult werden, scheint die erste Norm vieler Zuschauer verletzt zu sein. [...] Viele Künstler übertreffen sich selbst, um eine Qualität zu erreichen, die weit über das hinausgeht, was notwendig ist, um eine emotionale Wirkung zu erzeugen. Und wieder andere versuchen, Botschaften in die Welt hinauszuposaunen ohne die geringste Meisterschaft, um die lebensnotwendige Trägerwelle zu formen. ³ "
Wie ich oft bei Literaturwettbewerben beobachtet habe, bei denen ich als Juror tätig war, langweilt in der Tat ein Sonett, das eine wahre, sehr technische Meisterleistung wäre, aber keine Botschaft bzw. Ziel hat, während ein ungeschicktes Gedicht nervt, in dem der Autor versucht sein Unwohlsein in sinnlosen Versen zu vermitteln. Im Gegensatz dazu zeigt Mozarts Requiem, eine Kreuzung aus starkem Ausdruck sowie melodischer und kontrapunktischer Genialität – die Kunst, mehrere Melodien zusammen klingen zu lassen –, die Perfektion des Künstlers, der diese Kreuzung zuwege bringt. Und in der Popwelt funktioniert das auch: Man denke nur an all die Sänger, die als Teenager anfingen in einer Ecke auf ihrer Gitarre herumzuklimpern und dann hart arbeiteten, Gesang lernten, die Kunst des Arrangierens und so weiter.
Denn der Künstler hört nie auf zu lernen, auch wenn die Gesellschaft uns manchmal das Bild einer eigensinnigen Person vermittelt, die auf Inspiration wartet oder drei Bleistiftstriche macht, die gegen eine hohe Geldsumme eingetauscht werden. Er entspricht dem, was L. Ron Hubbard als "Profi" definiert: "Ein Profi ist jemand, der ein qualitativ hochwertiges Produkt herstellen kann. Ein Profi ist kein Zuschauer und wenn er etwas betrachtet, sucht er nach dem, was gut ist und ignoriert das, was mittelmäßig und von schlechter Qualität ist. Wenn er das tut, dann tut er das, um sich seine ideale Szene zu schaffen. Ohne ideale Szene operiert er nur nach technischen Gegebenheiten und schafft künstlerisch nur ein minderwertiges Produkt und ist kein Profi. [...] Wenn ein Mensch alles nur unter dem Gesichtspunkt ‚gefällt mir’ oder ‚gefällt mir nicht’ betrachtet, ist er nur ein Zuschauer und befindet sich auf der falschen Seite der Bühne. ⁴ "
Als der Sänger Pascal Obispo sich zum Beispiel an „Die Zehn Gebote“ wagte, übte er mit Arrangeuren und verschiedenen Künstler, denn von einem Dutzend Liedern auf einem Album zu einem solchen Projekt überzugehen, erforderte eine andere, umfangreichere Arbeit. Und wenn man Mozart, das Genie schlechthin aufführt, dann wissen diejenigen, die seine Korrespondenz gelesen haben, dass er ein harter Arbeiter war und wie viele Stunden er täglich an seinen Instrumenten und bei seinen linierten Blättern verbrachte...
Darüber hinaus trotzt die Kommunikation eines Kunstwerks der Zeit und den Moden. Seitdem der Mensch existiert, erschafft er und drückt sich als geistiges Wesen durch Kunst aus. Davon zeugen die Fresken der prähistorischen Menschen. Man stellt sich primitive Gesellschaften vor, die lautmalerisch sprechen, Stämme, die sich um das schützende Feuer gruppieren, und doch ... muss man nur eine Höhle wie Chauvet 2 in der Ardèche (oder Lascaux oder in jüngerer Zeit die Cosquer-Höhle, deren Nachbildung in Marseille gerade der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde) besuchen, um festzustellen, dass dies nicht der Fall ist. Wo man Schablonen von Händen und mit Kohle skizzierte Tiere sieht, wird einem die schöpferische Kraft dieser Menschen bewusst, die vor doch so langer Zeit gelebt haben.
Je weiter man in die Höhle vordringt (wie wurde sie beleuchtet?) desto komplexer, majestätischer werden die Zeichnungen, bis sie schliesslich in ein imposantes Ganzes münden – zweifellos das Herzstück einer religiösen Darstellung. Zwischendurch sehen wir Pferde, die in ihrer Darstellung von Bewegung auf Comiczeichnungen hindeuten, oder ein Tier, dessen Rücken nicht gezeichnet wurde, nicht weil der Maler zu faul war, sondern weil der Schatten eines überhängenden Felsens genau die Form des fehlenden Strichs gestaltet. Und man ist gerührt von der Größe dieser doch "primitiven" Kunst und diesen Zeichen, die der Zeit getrotzt haben und die man so lange nach ihrer Entstehung so sehen kann, wie sie gemalt wurden. Platon schrieb im fünften Jahrhundert v. Chr.: "Der Dichter ist ein leichtes, geflügeltes, heiliges Ding und er kann nicht erschaffen, bevor er die Inspiration spürt" und "Dichter sind nur die Dolmetscher der Götter ⁵ ".
¹ G.W.F. Hegel: « Ästhetik», Bd. 1, übers. Charles Bénard, Das Taschenbuch« - Paris, 1997│ ² L. Ron Hubbard: "Kunst", Bulletin Nr. 1 der Kunstserie - 30.12.1965│ ³ L. Ron Hubbard: "Kunst, zusätzliche Daten", Bulletin Nr. 2 der Kunstserie - 29.07.1979 │ ⁴ L. Ron Hubbard: « Ein Profi», Bulletin Nr. 8 der Kunstserie - 10.06.1979│ ⁵ Platon: Ion, Übersetzung von E. Chambry, Hrsg. Garnier - 1959