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Geheime Welt-Geschichte - Friedens-Verhandlungen in Ascona

2020-05-01        
   
Geheime Welt-Geschichteim Ferienparadies?

Die Geschichte liest sich wie ein Spionagethriller von John le Carré. Sie ist aber nicht im Kopf eines genialen Unterhaltungsschriftstellers entstanden, sondern spielte sich im März 1945, rund zwei Monate vor Hitlers Kapitulation im zerbombten Berlin, an den friedlichen Gestaden des Lago Maggiore in Ascona ab. Erstaunlich: Die Fakten sind zwar bekannt und historisch zweifelsfrei belegt, doch ins Bewusstsein einer breiten Bevölkerungsschicht in der Schweiz drang die Geschichte nicht ein.

Heute sonnen sich die Feriengäste aus aller Welt im grosszügigen Park mit mediterranem Charme des Fünf-Sterne-Hotels Eden Roc in Ascona und geniessen die kulinarischen Köstlichkeiten im Seehaus «La Casetta» – einem von vier Restaurants des Hotels. Hier fanden gegen Ende des Zweiten Weltkrieges geheime Verhandlungen zwi- schen Amerikanern und Hitler-Deutschen über ein Ende der Kämpfe in Oberitalien statt. Zur Zeit des Zweiten Weltkrieges hiess das Ge- bäude «Casa Signore in Croce». Eine Bronzetafel erinnert noch heute an das denkwürdige Treffen vom März 1945.

Über verschlungene Kanäle nahmen unter dem Decknamen «Ope- ration Sunrise» Teile der verfeindeten Armeen Kontakt zueinander auf. Direkte Verhandlungen der Kriegsfeinde? Wenn ja, dann nur völlig geheim und auf neutralem Boden. So kam das kleine Gebäude am Ufer des Lago Maggiore in der neutralen Schweiz ins Spiel.

Doch schön der Reihe nach

Ende 1942 wurde Allen Welsh Dulles (der spätere Direktor der CIA) in die Schweiz entsandt, um hier geheimdienstlich für die USA tätig zu werden. Die Aktivitäten zielten zunächst dahin, an der deutschen Westfront Kontakte zu Heerführern zu suchen, die eventuell bereit gewesen wären, eine Teilkapitulation der deutschen Streitkräfte zu ermöglichen, um so ein weiteres sinnloses Blutvergiessen zu verhindern. Trotz intensiver Bemühungen blieben aber alle Versuche erfolglos.

Da ergab sich im Februar 1945 eher unerwartet die Ge- legenheit, an der Südfront in Italien eine derartige Übereinkunft zu erreichen. Auf Initiative von Baron Luigi Parrilli (Italienischer Geschäftsmann mit guten Vertrauenskontakten zu den deutschen Besatzungsgruppen in Italien) wurde Major Max Waibel angegangen, der für Verhandlungen bereit war. Die grösste Initiative auf deutscher Seite ging in der Folge von SS-General Karl Wolff aus. Es wurden erste lose Kontakte geknüpft, die auf eine bedingungslose Kapitulation der deutschen Armee in Italien und die Verhinderung der Taktik der «verbrannten Erde» in Oberitalien hinausliefen.

Es war kein Zufall, dass schliesslich Ascona als Ort für das geheime Treffen ausgewählt worden war. 1925 hatte nebenan in Locarno bereits eine internationale Friedenskonferenz stattgefunden. Schon damals verbreiteten die mächtigen Bergmassive und der See eine Atmosphäre der Ruhe und Sicherheit für alle Beteiligten. Doch bevor im Frühling 1945 das Treffen zwischen Deutschen und Amerikanern stattfinden konnte, musste Dulles sein Hauptquartier in Washington D.C. vom geplanten Verhandlungsort Ascona über- zeugen. Man fürchtete in den USA, dass deutsche Truppen mit Sturmbooten über den See brausen und die alliierten Generäle kid- nappen könnten. Schliesslich stimmte aber Washington dem gehei- men Treffen zu.

Wie ging es weiter?

Für die Teilnehmer des geheimen Treffens wurden Mitte März 1945 unter Decknamen Hotelzimmer in Ascona und Locarno reserviert. Die Verhandlungen fanden am 19. März 1945 ab 12.30 Uhr im Seehaus «Casa Signore in Croce» (Seehaus des Hotels Eden Roc) und auf der Terrasse statt. Der amerikanische Verhandlungsleiter Dulles erinnerte sich später: «Die Szene war einzigartig und in gewisser Beziehung feierlich. Es war das erste Mal während des Zweiten Weltkrieges, dass hohe alliierte Offiziere mit einem deutschen General auf neutralem Boden zusammentrafen, um über eine deutsche Kapitulation zu beraten. Es war die erste friedliche Verhandlung, während ihre Armeen jenseits der Schweizer Grenzen gegeneinander kämpften.»

Wurde also im heutigen Park des Hotels Eden Roc tatsächlich Weltgeschichte geschrieben? Nicht ganz. Beim Geheimtreffen im Seehaus wurde zwar grundsätzlich vereinbart, welche Entscheidungsträger auf beiden Seiten die offiziellen Verhandlungen führen sollten und wo die entsprechenden Vertragsunterzeichnungen stattfinden konnten. Denn beide Seiten misstrauten sich extrem und wollten ihre Führungskräfte keinen Gefahren aussetzen. Zu offiziellen Verhandlungen und einer frühzeitigen Kapitulation der Deutschen kam es aber nicht mehr.

Geheime Welt-Geschichte

Wurde also im heutigen Park des Hotels Eden Roc tatsächlich Weltgeschichte geschrieben? Nicht ganz. Beim Geheimtreffen im Seehaus wurde zwar grundsätzlich vereinbart, welche Entscheidungsträger auf beiden Seiten die offiziellen Verhandlungen führen sollten und wo die entsprechenden Vertragsunterzeichnungen stattfinden konnten. Denn beide Seiten misstrauten sich extrem und wollten ihre Führungskräfte keinen Gefahren aussetzen. Zu offiziellen Verhandlungen und einer frühzeitigen Kapitulation der Deutschen kam es aber nicht mehr.

Anfang der 60er Jahre wurde das kleine Seehaus, in dem die geheimen Kapitulationsverhandlungen stattfanden, von dem Eigentümer des Hotels «Europe au Lac» erworben. Das Hotel war Ende der 1950er Jahren erbaut worden. Mit dem Eigentümerwechsel 1997 ging dann neben dem ehemaligen Hotel «Europe» auch das kleine Seehaus in den Besitz des Hotels «Eden Roc» über und wurde zum heutigen Restaurant «La Casetta» umgebaut. Nur die Bronzetafel erinnert heute noch an die denkwürdigen Verhandlungen vom März 1945. Es folgte ein unübersichtliches Hin und Her auf beiden Seiten, das wiederum Krimiautor John le Carré zur Ehre gereicht hätte. SS-General Wolf, der in Ascona am Tisch gesessen hatte, soll sich im April 1945 direkt mit Hitler getroffen haben, der ihm eine Art Freibrief für Kapitulationsverhandlungen in Italien erteilt haben soll. Während aber auf deutscher Seite in diesen Tagen eine offizielle Bereitschaftbestand, grundsätzlich über eine Teilkapitulation in Italien zu verhandeln, zog Washington seine Bereitschaft hierzu zurück. Das deutsche Reich lag zu diesem Zeitpunkt praktisch bereits am Boden und gerade als General Wolff von Ascona in sein Hauptquartier in Fasano zurückkehren wollte, wurde er von Partisanen unweit von Como eingekesselt. Am nächsten Tag unterschrieb eine deutsche Delegation die Kapitulation. Mit Wirkung vom 2. Mai 1945, 14.00 Uhr Ortszeit, schwiegen die Waffen auf dem italienischen Kriegsschauplatz. Nur wenige Tage später, am 8. Mai 1945, war der Krieg in Europa zu Ende. Anfang der 60er Jahre wurde das kleine Seehaus, in dem die geheimen Kapitulationsverhandlungen stattfanden, von dem Eigentümer des Hotels «Europe au Lac» erworben. Das Hotel war Ende der 1950er Jahren erbaut worden. Mit dem Eigentümerwechsel 1997 ging dann neben dem ehemaligen Hotel «Europe» auch das kleine Seehaus in den Besitz des Hotels «Eden Roc» über und wurde zum heutigen Restaurant «La Casetta» umgebaut. Nur die Bronzetafel er- innert heute noch an die denkwürdigen Verhandlungen vom März 1945.

Wird diese von den heutigen Gästen überhaupt wahrgenommen? Gab es schon Reaktionen?

Der gebürtige Luzerner Simon Spiller, der im August 2019 die Direktion für das Eden Roc (und gleichzeitig für das Albergo Carcani) übernahm, wird von seinen Gästen immer wieder auf das Geheimtreffen von 1945 angesprochen. «In diesem Jahr sind es genau 75 Jahre her», hält er fest. «Die Bronzetafel, die auf der Seeseite liegt, weist klar auf das Geheimtreffen hin. Viele Gäste sind verblüfft, dass ein so geschichtsträchtiges Ereignis in diesem kleinen Gebäude stattfand.»

Heute, 75 Jahre später, sitzen Gäste aus Deutschland, den USA und aus vielen anderen Ländern im gleichen Raum, auf der gleichen Terrasse und prosten sich mit einem Glas Tessiner Merlot diskret und zufrieden zu. Sie geniessen hier zusammen das Paradies auf Erden. An Krieg denkt – zum Glück – niemand mehr.