2025-04-14 | ![]() ![]() ![]() ![]() |
Gleich vier Ausstellungen widmen sich vom 15.05.25 - 15.06.25 in der Photobastei dem queerem Leben. Die Hauptausstellung «RENEGADES. San Francisco: Queer Life in the 1990s» von Chloe Sherman (1969, New York) taucht in die Hochburg queeren Lebens von damals ein und porträtiert die lesbische Szene im Aufbruch. Die drei Ausstellungen von Tom Vincent Legrand thematisieren das Tabuthema sexuelle Gewalt unter Männern («Intimate Landscapes, a Phallic Deconstruction») sowie unterschiedliche Facetten von Männlichkeit («Echoes of Him») und in "Berghain" mit Formen der Kommunikation auf Dating-Plattformen.
In den 1990er Jahren war San Francisco die Hochburg des queeren Lebens der westlich geprägten Welt. Junge queere Menschen, Künstler*innen und Freigeister strömten in die Stadt, um mit Kunst, Stil, Geschlecht und Identität zu experimentieren, um frei zu sein und ihr Leben unabhängig von der Mainstream-Gesellschaft zu gestalten. Eine stilprägende Subkultur entstand: Erschwingliche Mieten ebneten den Weg für Bars, Clubs, Tattoo-Läden, Kunstgalerien, Cafés, Buchläden und von Frauen geführte Unternehmen. Eine neue Welle des Feminismus ermöglichte das Ausloten von Geschlechteridentitäten und die Butch/Femme-Kultur erreichte einen Höhepunkt. Auch die junge Fotografin Chloe Sherman genoss das Leben in der für ihre Offenheit berühmten Westküstenmetropole. Als Kunststudentin begann sie die lesbische und queere Szene San Franciscos zu fotografieren. Inspiriert von Del LaGrace Volcanos Fotografien der Londoner Lesbenszene, hielt Sherman ihre eigene Welt der Femmes, Butches, Punks und Studs fest und füllte einen ganzen Wandschrank mit 35-mm-Negativen. Mit dem differenzierten Blick einer Insiderin dokumentierte sie eine sich entwickelnde Gemeinschaft, die sich entschlossen gegen die vorherrschenden kulturellen Normen auflehnte und ihre ganz eigenen Regeln für den Umgang mit gängigen Geschlechterzuschreibungen und dem gesellschaftlichen Zusammenleben entwickelte.
30 Jahre lagerten die Fotografien jener Zeit vergessen im Archiv der Fotografin. RENEGADES. San Francisco: Queer Life in the 1990s präsentiert die herausragenden und historisch bedeutenden Aufnahmen nun erstmalig einem Publikum außerhalb der USA. Chloe Shermans Ausstellung fängt den rebellischen Geist jener Zeit ein und porträtiert offen eine zukunftsweisende Ära. Chloe Sherman (*1969, New York) kam 1991 nach San Francisco, um am San Francisco Art Institute Fine Art-Fotografie zu studieren. Ihre Arbeiten wurden international ausgestellt und in Zeitschriften wie Rolling Stone und Interview veröffentlicht. Eine Ausstellung kuratiert von Nadine Barth (@barthouseprojects) und Katharina Mourati.
«Intimate Landscapes, a Phallic Deconstruction» thematisiert sexualisierte Gewalt unter Männern; ein Thema, das in gesellschaftlichen Diskussionen weitgehend tabuisiert ist. Tom Vincent Legrand dekonstruiert ausgehend von Theorien der Intersektionalität den Penis als Machtsymbol. Er hinterfragt tradierte Vorstellungen von Männlichkeit, indem er den Penis – der in unserem kulturellen Bewusstsein für Stärke,Kontrolle, Autorität und Potenz steht, – ins Zentrum rückt. Seine Arbeiten bewegen sich innerhalb der Gay Community, in der oftkonventionelle hierarchische Strukturen wie auch normativeVorstellungen von Männlichkeit und Körperidealen reproduziert werden. Das führt dazu, dass Gay-Männer einem Risiko ausgesetzt sind, Opfer von sexueller Gewalt durch andere Männer zu werden.
Der grossformatige Charakter der Werke schafft eine raumgreifende Wirkung. Die Beschränkung auf schwarz-weiss Fotografie wie auch die mimetische Präzision der Makrofotografie fokussieren den Blick auf die Strukturen der Haut der Protagonisten; die vertraute Symbolik transformiert sich in irritierend surreale Landschaften, wobei eine verletzlich fragile Seite in den Vordergrund rückt, die tradierte Vorstellungen von Männlichkeit, Sexualität und Gewalt in Frage stellt. Dieser Gegensatz macht die Brüchigkeit von Identitätsvorstellungen sichbar und verdeutlicht, wie Gefühle von Schwäche unmittelbar in Gewalt umschlagen können. Tom Vincent Legrand zeigt in seinen Installationen die Komplexität von Gewaltstrukturen, die tief in unser Verständnis von Sexualität, Geschlechterrollen und nicht zuletzt in unsere Körperlichkeit eingreifen und zeigt auf, dass eine klare Trennung zwischen Opfer und Täter oft nicht möglich ist. Menschen aus marginalisierten Gruppen können ebenfalls zu Tätern werden; verletzliche Geschlechtsidentitäten schützen nicht vor Gewaltausübung. Co-Autorin: Johanna Lier
«Echoes of Him» setzt sich mit unterschiedlichen Facetten von Männlichkeit auseinander. Das auf längerfristigen Recherchen basierende Projekt dekonstruiert das hegemoniale Ideal als normativen Massstab, und ausgehend von Raewyn Connells Theorien geht Tom Vincent Legrand der Frage nach, inwiefern dieses ein konstruiertes Narrativ ist. Im Raum steht die Frage, warum alternative Formen von Männlichkeit weiterhin marginalisiert sind, und auf welche Art der Blick auf ein breiteres Spektrum von Männlichkeit geöffnet werden könnte.Erste Arbeiten der Serie zeigen grossformatige schwarz-weiss Fotografien, die als visuelle Annäherungen und Dokumentationen dienen. Im weiteren Verlauf wird das Projekt durch Videoarbeiten und skulpturale Elemente erweitert. Tom Vincent Legrand schöpft seine Inspirationen aus eigenen Erfahrungen von Männlichkeit, die sich für ihn als schwulen Mann durch eine besondere Intensität und Vielschichtigkeit auszeichnet. Persönliche Erlebnisse fliessen unmittelbar in die Auseinandersetzung mit kulturell geprägten Normen ein. Der Künstler lässt seinen Blick durch das alltägliche Leben schweifen, wählt Personen aus seinem direkten Umfeld aus, lässt sich auf Zufallsbekanntschaften ein oder macht sich gezielt auf die Suche nach ausgewählten Protagonisten. Die unterschiedlichen Lebensrealitäten dieser Personen bilden die Grundlage für «Echoes of Him». Ist das Projekt zu Beginn auf die Schweiz fokussiert, plant Tom Vincent Legrand beispielsweise eine Reise nach Nordafrika, um den Diskursraum um Erscheinungsformen von Männlichkeit zu erweitern und zu vertiefen, so dass ein ständig sich verdichtendes Netz aus Begegnungen und Perspektiven entsteht. Durch das Zusammenspiel von visuellen Medien, persönlichen. Erfahrungen und Begegnungen unterschiedlichster Protagonisten soll ein kontinuierlich wachsender Raum entstehen, um tradierte Formen aufzubrechen und neue vielfältigere Formen denkbar zu machen; ein Work in Process, das die Sicht auf Geschlechterrollen stört und neu ausrichtet. Mitarbeit : Johanna Lier
"I’m thinking about going to Berghain. Ben Klock is playing tonight, and I never miss a set of his :-)" beschäftigt sich mit Formen der Kommunikation auf Dating-Plattformen, wie z.B. Grindr, und hinterfragt, wie sich Wahrnehmung, Urteilsvermögen und Selbstschutzmechanismen in virtuellen Begegnungsräumen verändern. Durch die Anonymität gewinnen User mit gewalttätigen Absichten erleichterten Zugang zu potentiellen Opfern –, auch weil in der Verbindung von persönlicher Sehnsucht und digitaler Distanz intensive Empfindungen von scheinbarem Vertrauen und unmittelbarer Intimität entstehen.
Ein Chat, eine Party, ein Tropfen: Die originalen Textnachrichten (Berlin, 2015) zeigen den Verlauf einer fatalen Begegnung. Die Installation holt verborgene Risiken an die Oberfläche, macht das Gewaltpotential scheinbar unbeschwerter, unverbindlicher Begegnungen sichtbar und fodert auf, tradierte Rollenbilder zu hinterfragen.