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Maxime Rappaz wurde 1986 in Genf geboren und arbeitete in der Modebranche, bevor er sich dem Film zuwandte. Im Jahr 2016 schloss er einen Master in Film und Drehbuch ab und drehte anschliessend die Kurzfilme L'ÉTÉ und TENDRESSE. LAISSEZ- MOI, mit Jeanne Balibar in der Hauptrolle, ist sein erster Spielfilm.
Ich habe versucht, eine Topografie zwischen einem Oben und einem Unten zu komponieren, um das von Claudine geführte Doppelleben bildlich darzustellen. Auf der einen Seite ihr Alltag im Tal mit ihrem Sohn und ihrer Arbeit als Schneiderin und auf der anderen Seite die Auszeiten, die sie sich in den Bergen gönnt, wo sie als unabhängigere Frau agiert. Mir gefiel die Idee des Leitmotivs der Fahrten, die diese Querwege zwischen den beiden Welten darstellen. Und diese Wege sind Teil des formalen Aufbaus der Erzählung. Die Eröffnung des Films mit einer langen Vorwärtsfahrt im Zug, die Schwarzfahrten in den Tunneln, der schwindelerregende Staudamm und der entvölkerte Berg haben einen hohen symbolischen Wert... Ausserdem war es wichtig, dass Claudine meine Erzählung in Richtung Märchen führte, zumindest in eine Welt, die weit vom Naturalismus entfernt ist.
Die Wahl der 1990er Jahre war eine ästhetische Entscheidung und der Wunsch, eine gleichzeitig nahe und ferne Zeit darzustellen, in der ich aufgewachsen bin und die meine Vorstellungskraft anregt, aber ohne dokumentarischen Bezug. Mir war vor allem daran gelegen, eine romanhafte Geschichte zu erzählen, die noch nicht von den heutigen Kommunikationsmitteln erfasst wurde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Figuren Mobiltelefone benutzen würden! 1997 war auch der Sommer, in dem Diana starb, die von Claudines Sohn Baptiste verehrt wurde.
Zunächst habe ich das Prinzip, einen nicht behinderten Schauspieler eine solche Rolle spielen zu lassen, sehr in Frage gestellt. Ich hatte jedenfalls grosse Lust, mit dem Schweizer Schauspieler Pierre-Antoine Dubey zu arbeiten, den ich bereits in meinem Kurzfilm Tendresse hatte spielen lassen. Wir trafen uns mit Spezialisten und der Schauspieler tauchte in ein Zentrum für Menschen mit Behinderungen ein. Wir haben viel geprobt, um dieser Figur eine starke und glaubwürdige Präsenz zu verleihen und um die Klippen einer Vereinfachung zu umschiffen, die karikaturistisch hätte wirken können. Diese Figur ermöglicht es, ihre völlige Abhängigkeit von ihrer Mutter zu verdeutlichen. Und ich mochte diesen doppelten Vorteil für Claudine, die jede Woche einen anderen Liebhaber hat, um für Abwechslung zu sorgen, aber auch, um die fiktiven Briefe des Vaters füttern zu können... Man könnte sagen, dass Claudine umso weniger an ihren Liebhabern hängt, je inniger sie mit ihrem Sohn verbunden ist.