2025-05-20 | ![]() ![]() ![]() ![]() |
„Spalte und herrsche“ ist ein alter Grundsatz der politischen Weisheit. In Die 36 Strategeme: Geheimes Buch der Kriegskunst, wird das dritte Strategem wie folgt formuliert: „Mit dem Messer eines Anderen töten“(1) (die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Strategema ist „Kriegslist“). Im zweiten Jahrhundert v. Chr. erklärte der griechische Historiker Polybios, wie die Römer Meister in der Kunst waren, ihre Feinde zu teilen, bevor sie sie eroberten.
Im 16. Jahrhundert bemerkte Machiavelli hingegen: „Einige Fürsten haben, um sich des Staates zu versichern, ihre Untertanen entwaffnet, andere haben die unterworfenen Städte in Parteyen getheilt erhalten, andre haben Feindseligkeiten gegen sich selbst genährt […]“(2)
Aber im Gegensatz zu dem, was allgemein behauptet wird, billigte er nicht unbedingt diejenigen, die diese Brüche schürten oder aufrechterhielten; im Gegenteil, er schrieb, dass „ ... wenn der Feind sich nähert, daß die getheilten Städte schnell verloren gehen, weil immer der schwächere Theil den fremden Mächten anhängen wird, und der andre sich nicht wird behaupten können.“(3) Er beobachtete, dass es die Spaltung war, die in Italien herrschte (von der Republik Venedig aufrechterhalten), die ihre Eroberung durch Spanien, eine Grossmacht der damaligen Zeit, begünstigte. Und genau das passierte später in Europa, als grosse Imperien (z. B. das Kaiserreich Napoleons oder das Dritte Deutsche Reich) auf gespaltene Gegner trafen, die sie leicht besiegen und dann freiwillig oder gezwungenermassen auf ihre Seite ziehen konnten. Nur wenn sie grosse Koalitionen bildeten, konnten sie ihre Freiheit bewahren.
Das Schüren und Aufrechterhalten von Konflikten beim Gegner mag zwar zweckmässig erscheinen, wenn es darum geht, Nachbarstaaten zu erobern oder zu verhindern, dass man selbst erobert wird, aber ist das ein angemessener Weg, um einen dauerhaften Frieden zu erhalten? Wenn es nämlich keine friedliche Lösung (durch Diplomatie oder Schiedsverfahren) gibt, bleibt nur noch eine Möglichkeit: Krieg.
Wenn man einen Schritt weitergeht, gibt es dann einen kausalen Zusammenhang zwischen diesem aussenpolitischen Grundsatz „Spalte und herrsche“ und der Anzahl der bewaffneten Konflikte, die heute in der Welt stattfinden?
1968 formulierte der amerikanische Philosoph L. Ron Hubbard, was er als Das Gesetz der Dritten Partei bezeichnete (wobei das Wort „Partei“ hier die Bedeutung „einer der beiden Gegner in einem Rechtsstreit; einer von zwei Vertragspartnern(4)“ hat, also die Parteien eines Konflikts):
„IN JEDEM STREIT MUSS EINE DRITTE PARTEI VORHANDEN UND UNBEKANNT SEIN, DAMIT EIN KONFLIKT EXISTIERT.
[...]
Oder
WÄHREND MAN GEWÖHNLICH GLAUBT, DASS ES ZWEI BRAUCHT, UM EINEN STREIT ZU HABEN, MUSS EINE DRITTE PARTEI VORHANDEN SEIN UND IHN ENTWICKELN, DAMIT EIN TATSÄCHLICHER KONFLIKT EINTRITT.“(5)
Er fügt hinzu: „Überprüft man ‚persönliche‘ Streitigkeiten, Gruppenkonflikte, nationale Kämpfe, so findet man, wenn man sucht, die dritte Partei, von keinem der beiden Kämpfenden verdächtigt, oder wenn es überhaupt einen Verdacht gibt, wird er als ‚fantastisch‘ beiseitegeschoben. Aber eine sorgfältige Dokumentation bestätigt ihn schließlich.
Dieses Datum ist ungeheuer nützlich.“(6)
Jedem fallen wahrscheinlich zahlreiche historische Beispiele dafür ein, wie eine ausländische Macht einen Aufstand in einem anderen Land oder einen Zwist zwischen zwei Ländern dazu benutzt, ihre eigenen Interessen auf Kosten der Interessen der beiden anderen Länder durchzusetzen. Man sollte dann das Prinzip „Spalte und herrsche“ in der internationalen Politik also als das betrachten, was es ist: eine Kriegslist, denn es verlangt, dass diese dritte Partei operiert, ohne dass die beiden anderen sich ihrer Rolle als Anstifter voll bewusst sind.
Diese Vorgehensweise, bei der immer die dritte Partei hinter einem Streit gesucht und entdeckt wird, könnte also auch bei geschäftlichen oder familiären Konflikten gewinnbringend angewendet werden und sich in den Händen professioneller Mediatoren als ein hervorragendes Werkzeug erweisen.
(1)Die 36 Strategeme: Geheimes Buch der Kriegskunst, chinesischer Anonymus.
(2)Niccolò Machiavelli, Der Fürst, Kapitel XX.
(3)Ibid.
(4)Duden Universalwörterbuch der Deutschen Sprache, online-Ausgabe, Definition 2, entnommen am 29.4.2025.
(5)L. Ron Hubbard, Scientology: Eine neue Sicht des Lebens, S. 218.